Die Pandemie lag wie ein Schatten über ihrer Wahl, ihrer Amtseinführung, ihren ersten Monaten im neuen Amt. Nun hat sich Situation ein wenig entspannt. Höchste Zeit für ein Interview mit Julia Krügers (CDU), seit 10. Februar dieses Jahres neue Bürgermeisterin in Schmitten.

Haben Sie sich in Ihr neues Amt eingelebt? Entspricht der neue Beruf Ihren Erwartungen und gab es positive Überraschungen?

Ja, ich bin angekommen. Und ja, der neue Beruf entspricht absolut meinen Erwartungen. Ich freue mich, dass ich für unsere schöne Gemeinde und für unsere Bürgerinnen und Bürger tätig sein darf. Und ich habe mich auch sehr gefreut, dass ich schon von so vielen Menschen positive Rückmeldungen bekommen haben, dass sie zufrieden sind. Toll ist, dass sie mich als bürgernah erleben. Das ist mir sehr wichtig.

Gleichzeitig bin ich sehr angetan wie mich die Mannschaft in der Verwaltung und in den Kindergärten aufgenommen hat. Die Zusammenarbeit ist sehr gut, offen und konstruktiv. Wir haben hier in Schmitten engagierte und kompetente Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Verwaltung. Gemeinsam wollen wir den Bürgerservice weiter verbessern. Aber eins muss auch klar sein: Eine Organisation nach 18 Jahren für die Zukunft optimal auszurichten, auch in Hinblick auf die Digitalisierung, braucht etwas Zeit. Dabei lege ich besonderen Wert darauf, die Mitarbeiter zu informieren, mitzunehmen, Schritt für Schritt. Denn parallel laufen neben der laufenden Verwaltung einige Projekte!

Stolz bin ich, dass wir gemeinsam schon einiges erreichen konnten, in der kurzen Zeit: Mit Deutsche Glasfaser rückt der Ausbau von flächendeckendem, zukunftsfähigen Internet in allen Ortsteilen erstmalig in greifbare Nähe und Schmitten ist eine von zwölf Kommunen in Hessen und die einzige im Hochtaunuskreis, die ins Förderprogramm Dorfentwicklung aufgenommen wurde. Der festliche Ehrenamtsempfang mit Verleihung der Bürgermedaille für besonderes ehrenamtliches Engagement, Sportlerehrung und Ehrungen der Feuerwehr hat wieder stattgefunden - um nur einige Beispiele zu nennen.

Viel hat sich auch schon getan in Sachen Verkehrsberuhigung, wenn gleich mit Beginn der großen Straßensanierungsmaßnahmen gemeinsam mit Hessen Mobil seit den Sommerferien Ausnahmezustand herrscht. Das Ordnungsamt und Bauamt begleiten die Baumaßnahmen engmaschig, optimieren kontinuierlich wo möglich, damit alles für Anwohner und Verkehrsteilnehmer so reibungslos wie möglich abläuft. Aber eins ist klar: Ohne Geduld und Verständnis wird es nicht gehen. Es gibt weiterhin viel, viel zu tun.

Vielleicht mag sich der ein oder andere schon mal den 3. November 19.30 Uhr vormerken: Hier wird es eine Online-Bürgerversammlung zum Thema "Verkehr und Baustellen geben".

Haben Ihr Schreibtisch und Ihr Büro schon eine "persönliche Note"?

Na klar. Die Jalousien habe ich weit aufgemacht, Licht und Luft reingelassen. Die Wände sind gestrichen. Die Möbel und den langen Besprechungstisch habe ich behalten. Das Budget will ich lieber für künftige Anschaffungen für die Mitarbeiter nutzen. Hinter meinem Schreibtisch hängt eine stilisierte Karte von Schmitten in schwarz/weiß - ein Weihnachtsgeschenk von meinem Mann. Auf der Fensterbank sind zwei Grünpflanzen eingezogen - ein Geschenk meiner Tante. Auf dem Schreibtisch eine Vase mit Blumen. Einige Besucher und Teilnehmer von Videokonferenzen haben dem Dienstzimmer bereits einen Spitznamen gegeben "Oval Office" - weil der Besprechungstisch und alles so aussieht. Ich fühle mich wohl im Büro im Rathaus und das ist auch gut so, denn es sind mitunter sehr lange Tage.

Wie kommen Sie als Rathauschefin mit der neuen Koalition aus CDU/b-now/Grünen klar?

Sehr gut. Die Arbeit ist konstruktiv, vertrauensvoll und von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt. Bereits im Bürgermeisterwahlkampf hatte sich gezeigt, dass es eine sehr hohe Übereinstimmung gibt in den Zielsetzungen und der Vision für unsere Gemeinde. Das war sicherlich ein Grund, warum Bündnis 90/Die Grünen und die Bürgerliste Neue Offene Wählergemeinschaft Schmitten (b-now) mich im Wahlkampf um das Amt der Rathauschefin unterstützt haben.

Die neue Koalition war dann aber trotzdem kein Automatismus. Nach der Kommunalwahl waren rechnerisch nach Wählerwillen zwei Varianten möglich. Die CDU Schmitten, die klarer Wahlsieger war, hat Koalitionsgespräche geführt und die neu gewählte Mannschaft hat sich dann gegen die Fortsetzung der Koalition mit der FWG und für die neue Koalition mit b-now und Grünen entschieden. Punkt.

Ich selbst habe mit der Amtseinführung als Bürgermeisterin Mitte Februar sehr bewusst meinen Vorsitz der CDU-Schmitten niedergelegt. Denn ich will und muss die Bürgermeisterin für alle sein. Gute Ideen, konstruktive Vorschläge sind immer herzlich willkommen. Von daher steht meine Tür allen offen und ich bin selbstverständlich für alle Fraktionen da. Anruf oder E-Mail genügt - dann lässt sich, wenn man will, vieles klären und rasch regeln.

Die FWG hatte kritisiert, die eine oder andere Vorlage aus dem Rathaus (etwa zur Parkplatzbewirtschaftung auf dem Feldberg oder zur finanziellen Förderung der Kita-Planung von accadis) sei unzureichend vorbereitet zur Abstimmung in die Gemeindevertretung gegangen. Muss da nachgeschärft werden?

Nein. Die Vorbereitungen waren und sind gut. Es geht ums richtige Timing, damit Projekte pünktlich und erfolgreich abgearbeitet werden können und wir uns Chancen nicht einfach entgehen lassen. Beispiel Vorlage Parkplatzbewirtschaftung auf dem Großen Feldberg: Die Gemeindevertretung hat in ihrer Sitzung im Januar 2021 einstimmig beschlossen, 40.000 Euro im Haushalt 2021 für ein Tourismus-, Besucher- Verkehrslenkungskonzept zu reservieren. Die Gelder sollen freigegeben werden, nachdem ein Konzept vorgelegt wurde.

Während die Arbeiten am Gesamtkonzept laufen, ist das Thema Verkehrskonzept darin separat zu betrachten. Verkehrs- und Besucherlenkung Feldbergregion wird in einer Arbeitsgruppe unter Koordination des Kreises bearbeitet. Das Feldbergplateau ist zu 100% in der Verantwortung von Schmitten, hier muss die Gemeinde einen Vorschlag machen. Der Unterpächter des Zweckverbandes Feldberghof und neuer Wirt Hedmar Schlosser ist auf die Gemeinde zugekommen und will künftig die Parkplätze rund um den Feldberghof wieder bewirtschaften. Um hier Synergien zu nutzen, muss die Betrachtung Plateau Parkplätze Gemeinde und Parkplätze Feldberghof und ein evtl. gemeinsames Parkraumbewirtschaftungskonzept so rasch als möglich erarbeitet und auf den Weg gebracht werden. Man sieht also, die Vorbereitungen laufen gut.

Bleiben wir bei diesen zwei Themen: Der Feldberg spielt eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des Tourismus in der Gemeinde. Welche Fortschritte macht das Gesamtkonzept, welche besonderen Schwerpunkte müssen zusätzlich mit eingebunden werden?

Der Große Feldberg spielt bei der Gestaltung des Tourismus in der Gemeinde eine wichtige Rolle und sollte entsprechend betrachtet werden. 18 Millionen Besuche allein in der Feldbergregion pro Jahr (Quelle Taunus Touristik Service) sprechen für sich. Aber Schmitten ist nicht nur der Feldberg. Beides, das Tourismuskonzept für die Großgemeinde Schmitten und das darin enthaltene Teilkonzept speziell für den Feldberg sind derzeit in Arbeit. Ich gehe davon aus, dass dies spätestens im November in die Gemeindevertretung zur Beratung eingebracht werden kann.

Der Feldberghof wird in absehbarer Zeit endlich wiederöffnet, mit einem stimmigen gastronomischen Konzept - hier wird es in Kürze eine Pressekonferenz von Zweckverband und neuem Pächter geben. Ich bin überzeugt, die Gäste werden begeistert sein. Damit hat dann neben der Falknerei und dem Aussichtsturm ein wichtiger Anlauf- und Erlebnispunkt wieder geöffnet. Die Arbeit am Verkehrs- und Besucherlenkungskonzept ist wie schon berichtet auf den Weg gebracht bzw. läuft im Kreis für das gesamte Feldberggebiet.

Darüber hinaus ist es zunächst mal wichtig, dass die Infrastruktur und Anmutung auf dem Feldbergplateau stimmt! D.h. in Kooperation und Absprache mit dem Naturpark und dem Kreis werden Bänke auf Vordermann gebracht und neue Relaxliegen aufgestellt. Die Standorte für die Mülltonnen wurden überprüft. Zusätzliche Mülltonnen werden nach unheimlich langer Lieferzeit in den nächsten Tagen gestellt und in einem zweiten Schritt dann nach und nach alle unansehnlichen alten Tonnen ersetzt. Die Leerungsintervalle und Absprachen zwischen Bauhof der Gemeinde und Naturpark wurden bereits optimiert. Mäharbeiten und Pflegeschnitte sollen im Herbst stattfinden - ein Pflegeplan fürs Plateau wird erstellt. Und künftig werde ich aus Gemeindesicht sehr genau darauf achten, dass alle Anlieger auf dem Plateau, den getroffenen Absprachen auch nachkommen - es geht nur zusammen. In diesem Zusammenhang ist es sehr erfreulich, dass die Deutsche Funkturm sich bereit erklärt hat, speziell auch für den Bereich vor ihrem Eingang, Aschenbecher sowie Mülltonnen mit integriertem Aschenbecher zu sponsoren, die insbesondere die Biker dann nutzen können. Aber eins muss auch klar sein: Das Plateau am Rande einer Metropole ist nicht unendlich groß. Fokus muss sein, Besucherströme zu lenken und zu ordnen. Allen muss klar sein, dass das Plateau keine Parkanlage ist, sondern Natur, die auch ihren natürlichen Charme behalten soll. Mir ist es wichtig, dass wir aus unserer Natur keinen unnatürlichen Vergnügungspark entwickeln. Der große Erholungswert liegt nicht in diversen Installationen, sondern immer noch im Naturerlebnis. Das ist es, was Schmitten einmalig macht.

Tourismus ist eine Einnahmequelle, sichert und schafft Arbeitsplätze, bringt aber auch Probleme (Winter-Ansturm). Wo und wann aber sehen Sie die Grenzen der Belastung erreicht?

Der Ansturm im letzten Winter war sicherlich eine Ausnahmesituation. Die Sicherheit war nicht mehr gegeben. Es musste abgesperrt werden und der Wintertraum blieb vielen Familien verwehrt. In Bezug auf Corona sind wir weitergekommen beim Thema Impfen. Ich hoffe, dass wir es schaffen, gut durch den nächsten Winter zu kommen. Dann werden Familien wieder in den Urlaub fahren, es wird Alternativen geben und die Menschen werden sich aufteilen. Gleichwohl gilt es vorzusorgen. Daher arbeiten wir derzeit unter Federführung des Kreises gemeinsam an einem Verkehrskonzept für die ganz Feldbergregion.

Klar ist auch, ein naturnahes Tourismuskonzept braucht einen klaren Fahrplan, und muss behutsam Schritt für Schritt umgesetzt werden und aufzeigen, wie wir als Gemeinde vom Tourismus profitieren können. Dabei haben wir in der Gemeinde schon sehr viel auf das wir aufbauen können. Es braucht ein entsprechendes Standortmarketing in Schmitten, welches eng mit der Taunus Touristik Service zusammenarbeitet.

Wie aussichtsreich sind die Pläne von accadis zum Bau einer neuen Kita und wann rechnen Sie mit einer Umsetzung?

Die Gemeindevertretung hat mit großer Zustimmung das Projekt vier-gruppiger Kindergarten, erweiterbar auf 8 Gruppen auf den Weg gebracht und hat beschlossen, dem gemeinnützigen Träger accadis die Planungskosten vorzufinanzieren. Der Standort Pfarrheckenfeld wurde als die beste Option festgelegt. Accadis und Verwaltung arbeiten das definierte Arbeitspaket der Gemeindevertretung konsequent ab. Es gilt einen förderfähigen, planungsreifen Projektstand zu haben, sobald ein neues Förderprogramm kommt. Vor meiner Amtszeit, in 2019, wurde die Abgabe für das aktuelle Förderprogramm leider verpasst. Das wird mit mir nicht passieren.

Ich begrüße die Anstrengungen von accadis, die Kubatur des neuen Kindergartens so kompakt wie möglich zu halten, damit möglichst wenig Fläche mit der HLG getauscht werden muss. Das trägt auch dazu bei, Kosten so gut es geht zu reduzieren.

Eins ist aber auch klar: accadis baut einen Kindergarten, nicht die Gemeinde Schmitten. Von daher ist auch völlig gerechtfertigt, dass accadis sich als Bauherr nach Prüfung einer 1- und 2-geschossigen Bauweise auf ein 1-geschossiges Gebäude festgelegt hat. Auch hier werden Erleichterungen im Betrieb und damit reduzierte Betriebskosten erwartet. Auch das ist gut für das Projekt.

Zusätzliche Betreuungsplätze werden nach wie vor dringend benötigt. Schmitten ist beliebt, viele junge Familien ziehen in unsere Gemeinde. Wir haben daher in der Vergangenheit viele Alternativen und Szenarien geprüft, uns dann gemeinsam für das Projekt mit accadis entschieden - jetzt gilt es mal Kurs zu halten und das Projekt abzuarbeiten. Die Familien und Kinder setzen auf uns. Ich bin zuversichtlich, dass dies gelingen wird. Und wir mit accadis, und einem bilingualen Angebot, unsere bestehenden konfessionellen und gemeindlichen Kindergärten sowie Montessori ergänzen.

Schmitten entwickelt gerade die letzten Plätze für Wohnbauland bei Brombach; ist danach endgültig Schluss?

Schmitten hat bzgl. Wachstum zwei limitierende Faktoren: Das ist klar die Topografie und damit begrenzte Möglichkeiten, neues Wohnbauland zu schaffen. Insbesondere, wenn wir unsere Natur, unsere Landschaft als größtes Pfund für die Entwicklung des touristischen Potenzials sehen. Und das ist nach einhelliger politischer Überzeugung auch die Wasserversorgung. Die muss gesichert sein, bevor weiteres Wachstum theoretisch möglich wäre. Es ist allerdings auch klar, dass diese Auffassung nicht überall in der Region geteilt wird - Schmitten hat seinen Kurs festgelegt. Klar ist, dass kleine Arrondierungen und Erweiterungen an Ortsrändern vereinzelt sicherlich noch möglich und nötig sind. Denn junge Menschen aus Schmitten sollen die Chance haben, in der Heimat zu bleiben und hier Eigentum zu erwerben und eine Familie zu gründen.

Fokus für uns in den nächsten Jahren und insbesondere für die Zeit des Förderprogramms Dorfentwicklung wird aber die Innenentwicklung sein. Es gilt Baulücken zu schließen, alte Gebäude zu sanieren und zu erhalten, und auch auf diese Weise behutsam neuen Wohnraum in der Gemeinde schaffen. Und gleichzeitig das Ortsbild zu verbessern.

Gibt es Bauland-Perspektiven für das Gewerbe?

In Hunoldstal wäre eine kleine Erweiterung des Gewerbegebietes möglich, falls es Bedarf gibt. Aber auch was Gewerbe angeht gilt: Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Soll heißen, wir haben viele Flächen und Gebäude in den Ortskernen, die saniert, entwickelt und so einer neuen Nutzung zugeführt werden können. Insbesondere für innovatives Gewerbe, moderne Co-Working Angebote und touristische Nutzung sind diese attraktiv. Lassen Sie mich an einem Beispiel konkretisieren was ich meine: Die neuen Inhaber und Betreiber des ehemaligen Naturpark Hotels setzen auf ein zukunftsfähiges, innovatives Nutzungskonzept. Im neuen Hotel wird auch Projektweise Softwareentwicklung, Trainings und Schulungen stattfinden. Damit ist eine Grundbelegung und Auslastung gewährleistet, die dann auch neue Veranstaltungsangebote zulässt. Wichtig für die Ansiedlung von innovativem Gewerbe ist ein leistungsstarkes Internet. Und mit der Chance auf den flächendeckenden Ausbau mit Glasfaser ist dies für uns in Schmitten jetzt in greifbare Nähe gerückt. Ich bin zuversichtlich, dass 40 Prozent aller Schmittener Haushalte mitmachen werden und wir so die Weichen auf Zukunft gemeinsam stellen können. Damit möchte ich erreichen, dass wir in Schmitten in dem Gebiet vorn liegen, von dem alle reden. Die Digitalisierung. Wir haben erlebt, dass diese für uns alle wichtig ist. Für die Bildung, für Schulen, Lehrer, Schüler, für das Gewerbe und auch für unsere Verwaltung. Ich würde mich freuen, wenn wir das gemeinsam schaffen.

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